Cowboys in Peter Tschaikowskis „Pique Dame“

Ein Sommertag, Mitte des 19. Jahrhunderts, es ist die Zeit Katharinas der Großen. Auf der St.Petersburger Promenade flaniert die High Society. Inmitten des Trubels exerziert eine Kinderschar, zackig nach Vorbild der schneidigen Gardeoffiziere und unter genauer Beachtung des militärischen Zeremoniells. So lässt sich gut das Gefühl vorkosten, eines Tages durch eine soldatische Erscheinung in der Öffentlichkeit aufzufallen … mit Ruhm und Uniform und allem.

19.12.1890: So oder ähnlich mag sich die Szenerie dem Publikum der Uraufführung dargestellt haben, als sich der Vorhang des Marjianski-Theaters zum ersten Akt von Pique Dame hob.

Ein anderer Vorhang, eine andere Zeit. 25.05.2019, Düsseldorf. Premiere „Pique Dame“ an der Deutschen Oper am Rhein. Er öffnet sich jedoch dem Blick auf eine unerwartete Umgebung, mit unerwartetem Personal: Die amerikanische Regisseurin Lydia Steier hat den Schauplatz ihrer Pique Dame-Inszenierung nach Hollywood verlegt, in die Villa einer alternden Filmdiva, einer Legende schon zu Lebzeiten. Das erste Bild zeigt einen Swimmingpool, um den sich ein munteres, halbbekleidetes Völkchen schart, eine Szenerie der Sonnenstühle, des Sektglasklirrens und Gelächters.

Plötzliches Ereignis. Das allgemeine Herumtänzeln und Bussigeben weicht einer wohlwollenden Aufmerksamkeit: It’s Showtime now! Von Lydia Steiers Regiekonzept konsequent in die Luxusumgebung eingepasst, erscheint eine Gruppe von Cowgirls und Cowboys. Sie fügen sich, (entgegen jeder Erwartung von Cowboyverhalten) in gezierter Revue-Schrittfolge mit starrem Reklamelächeln in die gleiche Musik, den gleichen Rhythmus ein, auf den vor 129 Jahren eine Knabengruppe mit großer Ernsthaftigkeit exerzierte. Dass die Tanz-Cowboys mit ihren gezückten Silbercolts ganz nebenbei einen Indianerjungen zur Strecke bringen, gehört zu den Wundern von Show & Revue.

Aber durch eben diese verschobene Realität gelingt der Regisseurin der Schulterschluss mit Puschkins Novelle, die der Oper zugrunde liegt: Räumliche und zeitliche Entfernung ändern nichts an den Vorlieben und Obsessionen bestimmter Milieus, die durch Reichtum und Dünkel ihre eigene Wirklichkeit inszenieren. Wehe dem, der dort nicht hingehört. Will er innerhalb dieser Kreise Erfolg haben, etwa beim Glücksspiel, wird ihm alles zum bösen Zauber: die Liebe, das Wissen um magische Spielkarten, seine Gewinne, zu denen letztlich der Tod gehört.

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