Travellers – mit Liedern im Finnland-Gepäck

„Hymn of the Travellers“ war sicherlich eines der markantesten musikalischen Gastgeschenke, die der Jugendchor unserer Akademie für den finnischen Jugendchor „CandoMini“ im Gepäck hatte. Es verknüpfte als nachdenklicher Akzent das Gemeinschaftskonzert im Dom zu Espoo mit unserem kurzen Überraschungsauftritt in der Felsenkirche von Helsinki: den Höhepunkt mit dem Endpunkt einer Reise voller musikalischer und zwischenmenschlicher Erlebnisse.

Herzstück unserer Begegnung mit den „CandoMini“ und ihrer jungen Chorleiterin Viena Kangas waren die gemeinsamen Probeneinheiten: eine an- und aufregende Zeit des persönlichen und musikalischen Sich-Kennenlernens. Das galt natürlich nicht nur für den lebhaften Austausch der Jugendlichen untereinander, sondern auch der beiden Chorleiterinnen, denen es sichtlich großes Vergnügen bereitete, aus zwei Chorgruppen ein neues, erweitertes Instrument zu bilden. Justine Wanat und Viena Kangas ließen es dabei nicht an Lockerheit und Einfallsreichtum fehlen: Da gab es experimentelle Phasen, in denen z.B. kurze Text/Melodie- und Rhythmus/Gestik-Vorgaben an die Nachbarn weitergegeben wurden und als akustische Impulse den Kreis der Sänger/innen durchliefen, ganz ähnlich dem Rundspiel „Stille Post“ (waren dabei aber natürlich nichts weniger als „still“!)  Ebenso gehörten zum vorbereitenden Teil spielartige Sequenzen wie etwa melodische Namensnennungen und Gruppen-Musikrätsel.

All diese Insider-Vergnügungen mündeten letztlich in die Einführung und Erarbeitung zweier gemeinsamer Lieder, die bereits im Vorfeld vorgeschlagen und ausgewählt worden waren: „Our Gift for You“ (Jerry Estes) von Seiten der Akademie, „Maa on niin kaunis“ (Hilja Haahti) von „CandoMini“.

In der Folge dann jener anrührende Augenblick, an dem Akteuren wie Probengästen beim ersten Ansingen deutlich wurde, wie klangschön beide Chöre in diesen beiden Liedern zueinander fanden, sie geradezu mit einer Stimme sangen!

Im Dom von Espoo zeigten beide Chöre außer ihrem großen stimmlichen Potential und ihrer Sangesfreude Präzision, Modulationsfähigkeit, dynamischen Reichtum und bei alledem … einen ganz eigenen Charakter: In großer stilistischer Breite aufgestellt der Düsseldorfer Jugendchor, vom mystischen a Cappella-Klang des Kyrie (Hugo Hammarström) bis hin zum rockigen „“The heavenly Aeroplane“ (John Rutter) in der Choreografie von Victoria Wohlleber und der einfühlenden, technisch perfekten Begleitung von Iskra Ognyanova am Flügel. In die Mitte unseres 11-teiligen  Konzertprogramms eingebunden: der Auftritt der Sängerinnen und Sänger von „CandoMini“, die in innig gesungenem a Cappella sieben wunderbare Beispiele finnischen Liedguts vortrugen. Ein bewunderndes Lob geht an beide Chorleiterinnen, die ihre hohen qualitativen Ansprüche mit ihren Chören so eindrücklich umgesetzt haben.

Insofern verwundert es nicht, dass sich am Ende des anderthalbstündigen Dom-Konzertes eben jener magische Moment des Probentages wieder einstellte und  wohl jeder im Kirchenraum fühlte, dass der Wohlklang und die Fülle dieses „neuen Instrumentes“ über die jungen Menschen, über den Dom, den abendlichen Park, die Stadt Espoo hinauswies zu künftigem gemeinsamen Musizieren.

Die Unterbringung von 13 Sängerinnen der Akademie in 6 finnischen Gastfamilien hatte ja (wie könnte es anders sein?) zu diesem Zeitpunkt bereits die Grundlage für so manche freundschaftliche Verbindung gelegt, was dann auch spontan zu einer Gegeneinladung nach Düsseldorf führte – und auf Seiten unserer finnischen Gastgeber herzlich und mit Dank angenommen wurde.

Aber auch andere schöne Erinnerungen verbinden sich mit diesem ersten Finnlandbesuch der Akademie. Einige (leider zu wenige) gemeinsame Streifzüge durch Helsinki vermittelten Eindrücke einer noblen Stadt mit wunderbar erhaltener Architektur der Wende zum 20.Jahrhundert: mit reichem Fassadenschmuck, hingelagert in eine Umgebung von Parks, Promenaden, Häfen und felsigen Uferstreifen. Gefühlt Hunderte von Handy-Snapshots sind eine gute Basis, um sich alles Erlebte wieder in Erinnerung zu rufen, wozu auch die ganze Heiterkeit eines (natürlich viel zu kurzen) Miteinanders gehört, lustige Episoden und ausgelassene Szenen, ob auf den Stufen zum Dom in Helsinki, beim Bummel durch die Markthallen, beim Bootsausflug auf die Insel Suomenlinna oder dem gemeinsamen Hafen-Spaziergang am Abend, vorbei an der schweigenden Kulisse sechs gigantischer Eisbrecher! Auch für die mitgereisten Eltern war es wohl eine wundersame Reise-Zutat, den Jugendchor einmal „kompakt“ zu erleben, mit Schreien, Quaken und Quietschen aus denselben Kehlen, aus denen man eben noch silberhelle Klangfolgen gehört hatte! (Doch alles zu seiner Zeit … sie sind ja nicht nur junge Spezialisten für Schöngesang, mal sind sie auch ganz einfach nur Young Travellers!)

„Hymn of the Travellers“. Wenige Stunden vor dem Abflug der Abschiedsgesang in Helsinkis Felsenkirche. Neben „Panis Angelicus“,  „Our Gift for You“ und  „Maa on niin kaunis“ erklang auch Gustaf Holsts Chorwerk mit seiner wuchtigen Melodik und der Rhythmik erdenschweren Voranschreitens. Zwischen den rauhen Felsenwänden und deren einzigartiger Akustik – plötzlich die Empfindung großer Authentizität! So mag Gustaf Holst beim Komponieren die Menschheit vor Augen gehabt haben, wie sie sich allezeit Gottes als Führer versichert auf ihrer Pilgerreise durch Mühsal und Lebensangst. Letztlich aber bleibt uns als tröstliche Gewissheit, dass am Ende die Verheißung des „Panis Angelicus“ eingelöst werden wird, des Lebensbrotes aus Engelshand. Und siehe da – beim himmelhohen Aufschwingen der reinen Jugendstimmen leuchtet auch der Gedanke auf, dass, bei allen Schrecknissen einer sich verdunkelnden Welt, die Musik, vor allem aber der gemeinsame Gesang junger Menschen eine Brücke zurück ins Licht bauen wird.

So geschehen in Finnland, vom 22. bis 27. August 2019, Espoo.

 

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